Manch einer denkt bei Gruppentherapie, es handele sich im Vergleich zur Einzeltherapie um eine weniger wirksame Behandlungsform, - dass sie nur die zweitbeste Option sei. Der Gedanke ist zunächst nachvollziehbar, wenn man sich vorstellt, dass für jeden Einzelnen weniger Zeit übrig bleibt und die Aufmerksamkeit des Therapeuten geteilt werden muss. Diese Vorstellung geht aber von der Einzeltherapie aus, in Wahrheit bringt die Gruppentherapie eine ganz eigene Qualität und Stärke zum Ausdruck, die nicht mit der Einzeltherapie verglichen werden kann. Dreh- und Angelpunkt ist hier die Dynamik der Gruppe und der einzelnen Teilnehmer untereinander. Der Therapeut spielt hier eine ganz andere Rolle als im Einzelsetting. Zwar kann er in das Geschehen eingreifen und tut das auch von Zeit zu Zeit, aber im Wesentlichen ist es seine Aufgabe, den Raum zu halten und einen stabilen "Container" zur Verfügung zu stellen, in dem sich das dynamische Geschehen entfalten kann. Das Gruppensetting bietet ein vielschichtiges, multiperspektivisches Verfahren, das viel Dynamik und Tiefe hat. Es zeigt den Einzelnen im sozialen Zusammenhang und bringt dadurch wesentlich unmittelbarer als die Einzeltherapie interpersonelle Aspekte zum Vorschein.
Für Betroffene ist es oft heilsam, zu sehen, dass sie mit ihrer Problemstellung und Herausforderung nicht alleine sind, sondern dass es Andere gibt, denen es ähnlich geht. Viele fühlen sich dadurch in ihrem Problem nicht mehr so isoliert, sondern wieder Teil eines größeren Zusammenhangs und bekommen wieder Zuversicht und Hoffnung. Das Feedback der Teilnehmer untereinander kann eine wertvolle Quelle der Selbsterkenntnis sein, förderliche wie problematische Aspekte der eigenen Person können besser wahr- und angenommen und im Laufe der Zeit einer Integration zugänglich werden.
Die Gruppe spiegelt als kleiner Mikrokosmos Dynamiken und Gefühle eines jeden Teilnehmers wider, die sich strukturell oft der großen Welt “da draußen” gleichen. Immer dort, wo solche Zusammenhänge individuell erkannt und besprochen werden können, gibt es die Chance, nicht nur theoretisch, sondern ganz nah am Erleben entlang zu arbeiten. Das ist zum Einen effektiv und zum Anderen macht es die Gruppe lebendig.
Trotzdem oder gerade deswegen ist das, was sich in den Sitzungen abspielt, auf einer tiefen Ebene wirksam. Starke emotional besetzte Komplexfelder können ins Schwingen kommen, entweder durch die eigenen Themen oder indirekt durch die der anderen Teilnehmer. Werden die emotionalen Kernthemen erstmal aufgedeckt, wird das Gruppengefühl und die Arbeitsatmosphäre sehr dicht. Das ist für den Gruppenprozess der ideale Zustand.
Aber so wie eine Beziehung im echten Leben nicht immer spannend und aufregend sein kann, so unterliegt auch der Gruppenprozess Zyklen und Wendungen und lebt vom individuellen Charakter eines jeden einzelnen Teilnehmers. Gruppentherapie bleibt daher immer wieder aufs Neue ein Wagnis und Abenteuer und erfordert ein mutiges und vertrauensvolles Einlassen aller Beteiligten.
Praxis für Psychotherapie
Psychologischer Psychotherapeut
M.Sc. David Stötzner
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